Das Ferrarirote darf nun auch hin und wieder mit dem Trainer zur Arbeit. In aller Früh geht’s los nach Graz. In der Arbeiterkammer ruht es dann ein wenig, privilegiert im Müllraum. Ja, ja, sogar ein ausgewiesener Think-Tank produziert zuweilen Müll. Wenn auch, gewiss, gewiss! sehr wenig.
Und dann geht’s nach Eggenberg. Der Trainer lässt gerne heraushängen, wie kunstsinnig er doch sei. Stundenlang könne er das Schloss bewundern. Drinnen gibt’s eine Ausstellung: „Der Große Tod“. Sie erzählt von den Kriegen. Und Kriege hat es genug gegeben in Europa, einen nach dem anderen: die Konfessionskriege, weil es ja immer nur einen Glauben geben kann, nämlich den eigenen; den Dreißigjährigen Krieg; die Erbfolgekriege; die Napoleonischen Kriege; die nationalen Einigungskriege. Und, nicht zu vergessen, die Kriege des 20. Jahrhunderts: erst europäische Bürgerkriege, dann Weltkriege. Eigentlich ein einziger Krieg von 1914 bis 1945, wieder 30 Jahre lang, mit einem dürftigen Waffenstillstand dazwischen.
Der Krieg passiert nicht, er wird gemacht. Zuerst „führt man etwas im Schilde“. Man hat schon viel, man will mehr. Man ist ja schließlich ein Mensch. Neid, Missgunst, Erbenwollen, Machtstreben, Ehrgeiz. All das hat Platz in der menschlichen Seele. Und man hat Recht. Irgendwie hat man immer Recht. Den Krieg gegen den Nachbarn, dem man etwas wegnehmen will, muss man argumentieren. Mit dem Recht. Das geht immer, am Ende wird gedemütigt, werden Rechte genommen, die man zuvor, weil man damals noch zu schwach war, widerwillig eingeräumt hat. „Privilegien werden zerschnitten“. Im Krieg stirbt als erste die Wahrheit.
Die Soldaten dressiert man „von der Pike auf“, meist reicht das Geld nur für die Offiziere. Man will ja selbst, meist im sicheren Hinterland, weiter gut leben. Und fressen und saufen und Schlösser bauen, geldmachtliebesheiraten und huren. Die anderen Söldner - die Leibeigenen, die Keuschler, die kleinen Handwerker, zuerst noch jung und schön, dann mit angebrochenen Mittelfußknochen vom vielen Marschieren, von Kugeln und Säbeln etwas zerschlissen - lässt man plündern. Und vergewaltigen. Auch der Kleine braucht einmal sein Recht, warum auch nicht? Kostet ja nichts. Zumal die paar Frauen, die der „Hurenweibel“ im Tross mittreibt, schon von Anzahl und Begrenztheit ihrer weiblichen Ressourcen nicht ausreichen können, das männliche Bedürfnis zu befrieden.
Am Ende sind die Ernten vernichtet, die Häuser zerstört. Die Seelen sowieso. Das „gemeine Volk“ ist „im Stich gelassen“. Hungernde, Obdachlose, Bettler, verrohte, marodierende, invalide Helden wohin man schaut. Zehn Jahre mindestens braucht das Land, bis es sich halbwegs erholt von der „militärischen Auseinandersetzung mit nachfolgendem Kabinettfrieden“. Dann beginnt der nächste Krieg.
Am Abend, das Ferrarirote schläft schon zufrieden im Stall in Bruck, liest der Trainer in dem deutschen Journal „Die Zeit“: Ein Vertrag, ein Kompromiss, ein Friede halten wesentlich länger, sagt eine renommierte Diplomatin, wenn sie von Frauen mit- und ausverhandelt werden. Na dann!