Ich kenne keinen Menschen, raunzt das Ferrarirote, der so viel in der Kirche ist wie du. Vielleicht gar, bist du ja, tatsächlich, ein Atheist? Da magst du recht haben, grinst der Trainer. Zwei Drittel der Christen glauben, so sagt man, nicht an die Auferstehung. Immerhin, die Kernbotschaft ihres Glaubens. Im Hause des Herrn, mein Ferrarirotes, bin ich also in allerbester Gesellschaft.
Das lehnt jetzt nass und grantig im eisigen Spätfrühlingsregen vor dem Eingangstor zur Kartause Mauerbach. Niederösterreich, knapp an der nordwestlichen Grenze von Wien. Auf dem Tor prangen Adler und Wappen, prächtiges Entrée zu der frühbarocken, teilweise hochbarocken Klosteranlage auf gotischer Gründungssubstanz. Thron und Altar: Die Kartäuser waren treue Diener der habsburgischen Herrschaft, bevor Joseph II. ihre Gemeinschaften in Österreich weitgehend eliminiert hat.
Das Innere der Klosterkirche Maria Himmelfahrt, eine idealtypische, lange Saalkirche, darf das Ferrarirote nicht sehen. Ferrarirote und Hunde, steht explizit an der Eingangstür, dürfen nicht hinein. Und so bleibt ihm der beeindruckend mächtige Hochaltar vorenthalten, mit dem bedeutenden Marienbild von Andrea Celesti. Der musste, so die Legende, aus seiner Heimatstadt Venedig fliehen, weil er seinen Brotgeber, den allmächtigen Dogen, mit Eselsohren dargestellt hatte. Die zügige Abreise ersparte dem politkritischen Kunstschaffenden die berüchtigte Bleikammer. Wie man sich in einem solchen Kammerl fühlt, hätte er bei Giacomo Casanova nachfragen können. Posthum halt.
Demokratie und Grundrechte, wie freie Meinungsäußerung in Karikatur und Satire, wurden in Venedig, so weiß man, nicht erfunden. Im habsburgischen Österreich allerdings auch nicht.
Herzog Friedrich der Schöne, der die Kartause gestiftet hat, liegt hier begraben. Der edle Ritter kehrte freiwillig in seine Gefangenschaft zurück, weil er einen Vertrag, Brief und Siegel, mit seinem bayrischen Kontrahenten Ludwig von Wittelsbach nicht einhalten konnte. Und er soll, der aufrechte Ehrenmann, so die missgünstige Propaganda seiner zahlreichen Gegner, bei seiner Krönung zum deutschen König in ein Fass gefallen sein.
Das allerdings hat Celesti, vor dem Eselsohrensündenfall hoch geschätzter Cavalieri des Dogen, hier in Mauerbach für die habsburgtreuen Kartäuser nicht gemalt. Man wird ja, weiß auch der Trainer mittlerweile, reifer in seinem Leben. Und klüger. Und erkennt: Wes Brot ich ess …